31.3.11

Vom Bachelor zum Briefträger

Zwei Geschichten aus dem realexistierenden angloamerikanischen Bildungssystem.

Geschichte 2:

Das deutsche Magazin „Der Spiegel“ brachte am 26. März einen aufschlussreichen Bericht zur Situation von UniabsolventInnen in den USA. Auf der einen Seite steigen in den USA seit Jahren die Studiengebühren, und damit die Gesamtverschuldung von Studierenden und AbsolventInnen in einem ungeheuren Tempo. Andererseits bricht der Arbeitsmarkt für AkademikerInnen ein. Letztlich setzt dadurch wieder eine Titelinflation ein, die eine immer höhere Bildung für immer niedrigere Jobs verlangt.

Ein paar Zahlen aus dem Artikel zur Veranschaulichung: Mehr als 70 Prozent der Highschool-Abgänger entschieden sich 2009 für ein Studium. „Die Studienkosten an einer privaten Uni betragen mehr als 27.000 Dollar (fast 19.000 Euro) pro Jahr. Am öffentlichen College sind es 7600 Dollar jährlich. Und sie steigen weiter, 2010 um durchschnittlich 4,5 Prozent an privaten und acht Prozent an öffentlichen Unis. Besonders teuer sind begehrte Studiengänge wie Jura, selbst an einer mittelmäßigen Law School sind bis zu 43.000 Dollar im Jahr fällig. Dabei sind Eliteuniversitäten und ähnliches in dieser Rechnung noch gar nicht eingeflossen.“

Wie Michael Hartmann in einem spannenden Aufsatz im Leviathan schon vor einigen Jahren zeigte, sind dabei diese durchschnittlichen kurzen Studiengänge eher mit einem Kolleg oder einem BHS Abschluss zu vergleichen, als mit einem Studium an einer europäischen Universität. Die Institutionen, die mit hiesigen Universitäten vergleichbar, sind sehr wenige und verlangen dramatisch höhere Gebühren. (Hartmann, Michael (2005b): Studiengebühren und Hochschulzugang: Vorbild USA? In Leviathan, 33, 439-463.)

Zitat aus dem Spiegel: „Mit 4,8 Prozent liegt die [Arbeitslosen]Quote der Universitätsabsolventen in den Vereinigten Staaten deutlich unter dem nationalen Durchschnitt von 9,4 Prozent. In Deutschland ist das so ähnlich, hierzulande liegt die Akademikerarbeitslosigkeit seit Jahren konstant bei drei Prozent. Doch hier wie dort gilt auch: Viele Akademiker ergreifen Berufe, für die sie überqualifiziert sind. "Heute haben zum Beispiel zwölf Prozent unserer Postboten einen Bachelor. In den siebziger Jahren dagegen waren es nur drei Prozent", sagt Wirtschaftsprofessor Richard Vedder von der Universität in Ohio und ergänzt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ausliefern der Post heute so viel komplizierter geworden ist als noch vor 40 Jahren." (…). Laut Vedder haben momentan 17 Millionen Akademiker Jobs, für die eigentlich kein Studium notwendig wäre. Etwa 13 Prozent der Kellner haben studiert, ebenso fast 17 Prozent in Vorzimmern und Sekretariaten und acht Prozent der Elektriker.

Damit steigen auch die Erwartungen der Arbeitgeber: "Sie verlangen nun häufig akademische Abschlüsse für Berufe, bei denen ein Studium wirklich nicht notwendig ist", sagt Christopher Matgouranis vom Center for College Affordability and Productivity, einer Organisation, die sich mit den Studienbedingungen beschäftigt.“

Quellen:

Sonja Salzburger: Jobkrise in den USA. Vom Bachelor zum Briefträger. 26. März 2011.

Hartmann, Michael (2005b): Studiengebühren und Hochschulzugang: Vorbild USA? In Leviathan, 33, 439-463.)