31.3.11

Britischer Studiengebührenalbtraum

Zwei Geschichten aus dem realexistierenden angloamerikanischen Bildungssystem.

Geschichte 1:

Bekanntlich hat die britische Regierung im November 2010 beschlossen, dass englische Universitäten künftig bis zu 9.000 Pfund (EUR 10.200) an jährlichen Studiengebühren einnehmen können. Die Höhe soll sich entsprechend nach den Marktgesetzen richten, wer mehr bietet, hat mehr Nachfrage und kann daher für das Angebot auch mehr verlangen. So die ökonomistische Logik. Nun zeigt sich, dass nicht nur Oxford und Cambridge dieses Angebot sofort dankend annahmen. Mittlerweile erhöhen auch kleinere, weniger bekannte Universitäten, wie Durham und Exeter, die Studiengebühren auf 9.000 Pfund.

Der Grund liegt in einer Reihe von Nebenerscheinungen des Gesetzes: So fließen die Studiengebühren nicht in die Verbesserung von Forschung und Lehre, sondern ersetzen in erster Linie staatliche Bildungszuschüsse, die im Umfang von 940 Millionen Pfund (1,07 Milliarden Euro) gekürzt wurden. Die Reformen basierten auf den Empfehlungen eines Komitees unter Leitung des British Petrol Chefs Lord Browne. Nach deren Empfehlungen sollte die öffentliche Förderung geisteswissenschaftlicher Fächer, die keinen wirtschaftlichen Nutzen versprechen, ganz eingestellt werden. Auf das Komitee unter Lord Browne, der die Gebührenobergrenze überhaupt abschaffen wollte, geht auch der Glaube an einen selbstregulierenden Gebühren-Markt zurück.

Noch ein Aspekt bewegt die Universitäten auf die Einhebung der höchstmöglichen Gebührensätze. Studierende in England nehmen zumeist ein Darlehen auf um die Kosten von 36.000 Pfund (EUR 41.000)für einen vierjährigen Undergraduate Abschluss aufzubringen. Das staatliche Darlehensystem verlangt eine Rückzahlung erst dann, wenn die AbsolventInnen ein jährliches Arbeitseinkommen von 21.000 Pfund (EUR 24.000) erreichen. Dann zahlen sie neun Prozent ihres Einkommens über einen Zeitraum von 30 Jahren ab. Wenn nach dieser Zeit weitere Schulden überbleiben, werden diese vom Staat getilgt. Demzufolge ist es für die Universitäten immer am lukrativsten, wenn die Schuldenstände ihrer Studierenden möglichst hoch sind, denn nach 30 Jahren erhalten sie in jedem Fall das Geld von den AbsolventInnen oder den SteuerzahlerInnen.

Das Ergebnis: eine loose-loose-loose Situation: Die Universitäten verlieren staatliche Förderungen und erhalten diese erst nach Jahrzehnten ausbezahlt. Der Staat übernimmt die Schulden der zahlreichen AbsolventInnen, die nicht so viel verdienen, als ihr Studium kostete. Schließlich Studierende und AbsolventInnen, die mehr als ein Drittel ihres Lebens hoch verschuldet sind. marvellous.

Datenquelle : Alexander Menden. Die sind doch nicht Harrods! In Süddeutsche Zeitung, 19. März 2011, S.13.